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Null-Fehler-Kultur? Kein Agile! Teil 1

Wer kauft bitte fehlerhafte Produkte?

Eine Schätzungen zufolge arbeiten 60-80 % der deutschen Unternehmen nach dem Motto „Keine Fehler sind die Besten“, “Högschte Qualität, Made in Germany”! Wer wollte dieser Formel widersprechen? Scheint es doch nur logisch wenn wir uns bewusst machen, daß fehlerhafte Produkte niemand kaufen würde. Oder haben Sie schon mal ein Auto gekauft, daß möglicherweise bereits nach kurzer Zeit einen defekten Anlasser hatte? Ja? Ok, dann etwas drastischer; das Auto hat sich von Anfang nicht bewegt!

Doch HALT. Beginnen wir von vorne!

Die Angst Fehler zu machen

Sie ist tief verwurzelt die Angst vor dem Fehler. Wer kennt es nicht aus der Schule – ein Fehler wird bestraft, ein Fehler führt zu schlechten Noten und Fehler werden verfolgt. Ja bereits in früheren Jahren unseres Lebens lernen wir, Fehler = falsch. Wobei selbst das schon nicht zutrifft, denn Fehler kommt von Fehlen und das bedeutet:”Hier fehlt etwas” und nicht etwa von falsch. Aus meiner Sicht eine wichtige Veränderung des Blickwinkels. Ist also die Angst vor dem Fehler bereits problematisch?

Angst vor Fehlern in Organisationen

Die Angst vor Fehlern in Organisationen mit einem entsprechenden autoritäten Führungsstil (da scheint ein Zusammenhang zu bestehen!)  treibt einem gelegentlich die Schamröte ins Gesicht, wüsste man nicht, das es leider täglich und häufig in Unternehmen Realität ist. Der Panikmodus. Alle man an Bord? Nein, die ersten sind schon davongelaufen vor lauter Angst einen Fehler zu machen. Der Chef oder Vorgesetzte mit dem Tadel (gerne vor versammelter Mannschaft) ist nicht weit. Sie ordnen das längst vergangenen Zeiten zu? Das dachte ich auch.

Aber viele Unternehmen sind derart fixiert auf Fehler, daß überhaupt nicht auffällt, daß Mut oder gar ein konstruktiver Austausch im Keim erstickt wird. Ich habe das in meiner beruflichen Sozialisation zum Glück nur einmal erlebt und das reicht mir für den Rest meines Berufslebens. Der Fokus auf den Fehler bringt eine unangenehme Eigenschaft mit sich, nämlich das wir uns in die Richtung bewegen auf die wir uns fokussieren. Sprich, wer ständig mit der Angst lebt am Tisch nicht kleckern zu dürfen, bei dem steigt die Wahrscheinlichkeit das genau das passiert. Das lässt sich sehr gut auch in Unternehmen beobachten.

Der Schuldige

Ok, daß Eingeständnis das Fehler passieren, ist das Eine, hinzu kommt aber leider häufig, daß Fehler die einmal passiert sind, nicht etwa konstruktiv aufgearbeitet werden, sondern sehr häufig mit besserwisserischen Tadeln und Fingerzeig einhergehen. Der Fehler ist also dann ausschließlich bei dem Verursacher zu suchen und man wird auch fündig.  Prima. Problem erkannt, Problem gebannt? Jetzt müssen wir uns auch nicht näher damit rumschlagen. Folgender Satz dann auch logisch: “Alles nur Zeitverschwendung – wir müssen besser werden!”

Die Führungskraft als Sherlock Holmes

Oder auch das kennen wir doch mehr oder weniger ganz gut. Der Vorgesetzte oder die Führungskraft die sich sehr wohl mit der Ursache des Fehlers beschäftigt aber im Unterschied zum Fall 1 wird jetzt die ganze Firma auf den Kopf gestellt. Die Detektiv-Arbeit wird zum Sport. Alles steht nun auf dem Prüfstand. Selbstverständlich sieht sich die Führungskraft nicht als Teil des Problems oder des Fehlers, sondern ausserhalb. Man erkennt keine Systematik, ausser operativer Hektik und Verunsicherung passiert da meist wenig und der Erfolg bleibt aus. Ahnen Sie schon warum?

Führungsstil und Vertrauen

Die beiden Beispiele machen deutlich, daß der Umgang mit Fehlern häufig mit einem entsprechenden Führungsstil einhergeht. Die hier gezeigten Beispiele führen in eine Sackgasse, denn der Fehler wird letztlich sanktioniert und bestraft, anstatt den Fehler zu heben, oder Möglichkeitsräume zu eröffnen so daß Fehler freiwillig und ohne Angst angesprochen werden können. Vertrauen der Führungskraft und im Team sind Voraussetzung! Wie sieht es bei Ihnen aus?

Wer Fehler missachtet, verliert!

Wer also Fehler darauf reduziert nach Schuldigen zu suchen ohne das “Ganze” zu betrachten, der nimmt die Sache nicht Ernst genug. Es kann nicht sein, was nicht sein darf. Wer so verfährt ist nur bedingt zukunftsfähig. Vergessen wir zunächst einmal die Fehlerkultur (darauf kommen wir noch).

Wir müssen also sehr genau hinschauen wann und warum Fehler passieren und dabei, auch wenn es manchmal schwer fällt, eher den Menschen als Teil eines Systems betrachten und dieses hinterfragen. Fragen wie: Welche Rahmenbedingungen existieren? Wurden Prozesse “gemeinsam” definiert und sind diese transparent? Gibt es einen Handlungsrahmen innerhalb von gemeinsam definierten Prinzipien oder sind es starre Regeln die möglicherweise der Anpassung bedürfen? Passieren die Fehler im Großen wie im Kleinen, was wiederum Indizien dafür sind, das möglicherweise Fehler nicht angesprochen werden!

Alles Aspekte, die doch recht naheliegend erscheinen. Sehr selten machen Menschen nämlich Fehler absichtlich und wenn es keine ausreichende Kultur im Umgang mit Fehlern gibt, oder wie weiter oben beschrieben verfahren wird, kommen Fehler gar nicht erst an die Oberfläche. Das ist der Worst Case! 

Fehler sind nicht gleich Fehler

Wiederkehrende Aufgaben eines bereits seit langem definierten Prozesses der bereits oft geübt und standardisiert sind, dort sind Fehler zu vermeiden. Vermeidbare Fehler also? Auch hier gilt es die Chance zu nutzen, die der Fehler bietet, nämlich etwas zu verbessern, zu nutzen, anstatt sich an Personen abzuarbeiten. Soweit klar. In der Literatur gibt es eine ganze Reihe von Fehler-Klassifikationen die ich hier kurz darstellen möchte:

  1. Arbeitsprozessbezogene Klassifikation (z.B. durch Chapanis, Meister),

  • Chapanis ist davon überzeugt, dass eine Analyse der Fehlerverteilung dabei hilft, Probleme in einem System zu erkennen und geeignete Gegenmaßnahmen zu finden.
  • Meister hingegen unterscheidet, in welchem Teil eines komplexen Systems Fehler auftreten, z.b.:
    • Ausführungsfehler (“Operating error”: Falschbedienung von Maschinen),
    • Designfehler (“Design error”: menschliche Eigenschaften werden bei der Entwicklung nicht berücksichtigt),
    • Herstellungsfehler (“Manufacturing error”: System wurde nicht so gebaut wie geplant)
    • Installations- oder Wartungsfehler (“Installation and maintenance error”: System wurde falsch installiert oder gewartet)
  1. Fehlerursachenbeschreibende Klassifikation (z.B. durch Norman, Rasmussen)

  • Rasmussen unterscheidet bei der Analyse von Fehlern, die bei der Bedienung von technischen Systemen erfolgen, drei Ebenen von Handlungsregulationen:
    • fertigkeitsbasiertes Handeln (“skilled-bases errors”)
    • regelbasiertes Handeln (“rule-based errors„)
    • wissensbasiertes Handeln (“knowledge-based errors„)
  1. Klassifikation der unsicheren Handlung (z.B. durch Reason)

    • Reason untersuchte Formen “unsicherer Handlungen”
    • auf welcher Ebene der Handlungskontrolle  entstehen die Fehler und beruhen sie auf Absicht

Personenzentrierter vs. Systemischer Ansatz

Fehler sind menschlich und doch reicht es nicht den Fehler nur nach dem Verursacherprinzip zu verfolgen:

Personenzentriere Ansatz zielt auf die individuellen Faktoren wie Nachlässigkeit, Unachtsamkeit oder Vergesslichkeit ab, die in unerwünschten Ergebnissen resultieren

  • Organisationen wollen mittels disziplinärer Maßnahmen zukünftige Unfälle dieser Art vermeiden
  • Sündenbockmentalität
  • verhindert objektive Analyse des Fehlers
  • Systemische Fehler werden nicht erkannt und können nicht eliminiert werden
  • Resultat: weiterer Schaden

Der Systemansatz erkennt die Tatsache an, dass hinter Problemen jeweils eine Reihe Faktoren/Bedingungen stehen…

  • wichtigste Erkenntnis: menschliche Fehler sind unvermeidbar
  • beste Möglichkeit Auswirkungen von menschlichen Fehler zu reduzieren ist das Arbeitsdesign/Prozesse so zu gestalten, dass Fehler:
    • möglichst verhindert,
    • möglichst früh erkannt oder
    • die Fehlerauswirkung minimiert werden
  • Resultat: Fehler werden erkannt weil betrachtet

Besser werden DURCH Fehler machen

Es scheint einfach, wie kann Lernen stattfinden wenn man zu jeder Zeit bestmöglich versucht Fehler zu sanktionieren und Fehler zu vermeiden OHNE dabei echtes Qualitätsmanagement zu verfolgen. Denn eines ist auch klar, dort wo Plan, Do, Check, Act oder auch bekannt als das Prinzip der kontinuierlichen Verbesserung wirklich gelebt wird, dort ist nicht der Fehler als solches im Fokus, sondern wir beschäftigen uns mit der Frage: “Wie können wir uns verbessern und voneinander lernen.”Fehler zu machen ist menschlich und Fehler sind letztlich Teil des Qualitätsmanagement weil ohne Ihn, kein Lernen, ohne Ihn keine Optimierung”

Fehlerkultur als Voraussetzung für agile Arbeit

Mit dem Begriff “Agile” verbindet man beispielsweise; Veränderung als fester Bestandteil der Unternehmenskultur, ständiges Lernen, Time To Market, Selbstorganisation, Netzwerkstrukturen, Augenhöhe und ja auch Fehlerkultur.

Viele Unternehmen, die sich aktuell auf den Weg machen agiler zu werden um die Flexibität zu erhöhen, um schneller und besser Kundenbedürfnisse zu befriedigen, befassen sich häufig zu wenig mit der aktuell im Unternehmen vorherrschenden Kultur und somit auch der damit einhergehenden Fehlerkultur als Ausgangssituation für Agile Transitionen. Und um das kurz auf den Punkt zu bringen:

Die Fehlerkultur ist ein erfolgskritischer Faktor bei der Einführung von Agile.

Bestandsaufnahme

Aktuell ist es in deutschen Unternehmen eben keine Selbstverständlichkeit sich darüber Gedanken zu machen wie wir in zunehmend dynamischen, komplexen Umgebung mit Fehlern umzugehen haben.

In vielen Fällen hat man in den Unternehmen noch vor kurzem auf  erhöhte Dynamik oder auch komplexe Herausforderungen eben in etwa so reagiert:

  • Umfassendere und detailliertere Konzepte
  • Epische Projektpläne mit einer umfassenden Risikoanalyse und Risikoeinschätzung mit der einhergehenden Pseudo-Vorhersagbarkeit
  • Hohe Qualität und Kundenorientierung erreicht man durch eine weitere Optimierung der Qualitätskriterien
  • Verstärkte Kontrolle und Steuerung durch das Management.

Das Resultat: Mehr Stress im System, Überforderte Mitarbeiter, die Projekt Erfolgsquote singt, die Teams befinden sich häufig weit entfernt von dem, was man als „Performant“ bezeichnet und es innerhalb der Strukturen viel um Macht und das Gerangel um Entscheidungs-Hoheit geht, grundsätzlich spürt man auf vielen Ebenen ein Gefühl der Überforderung.

Hinzu kommt das einige Unternehmen ihr eigenes “System” auf Fehler und der damit einhergehenden Kultur wenig hinterfragen  – schlicht aufgrund von Ressourcenmangel oder Unachtsamkeit in Bezug auf die eigenen Prozesse. Man glaubt, der Fehler muss ja mit den Menschen zu tun haben, das Problem liegt in der Umsetzung, möglicherweise sind die Mitarbeiter nicht kompetent genug? Mikromanagement dann häufig die Folge. Unternehmen beschäftigen sich gerne mit sich selbst, an dem Punkt “Fehlerkultur” sind Unternehmen häufig auffällig blind.

_____

In Teil 2 werde ich mich damit beschäftigen, was eine gesunde Fehlerkultur ausmacht, warum man Fehler nur bedingt “managen” kann und warum Kanban bei der Etablierung einer guten Fehlerkultur unterstützen kann.

Ein Unternehmen das sich “Agiler” aufstellen will, daß sollte dem Umgang mit Fehlern im Unternehmen entsprechende Aufmerksamkeit schenken. Eine Null-Fehler-Kultur ist quasi ein No-Go wenn man sich mit agilen Methodenwelten und dem agilen Mindset beschäftigt.

Comments

  • Jörg C. Kopitzke®
    26. Januar 2018

    Sehr guter Artikel, dazu habe ich mich auch schon mal versucht – auf einer etwas anderen Ebene.
    hier: http://www.kopitzke.pro/gescheites-scheitern/
    Es macht Sinn, diesen Defekt in der Verhaltens-Ökonomie weiter und sehr genau im Auge zu behalten. VG.

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