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#lernnugget: Kognitive Verzerrung

Kognitive Verzerrungen - Herkunft und Bedeutung

Im englischen Cognitive Bias genannt, geht es bei kognitiven Verzerrungen um kognitive Fehler, die zu verzerrten Wahrnehmungen und in der Folge zu Entscheidungsfehlern führen. Die kognitiven Verzerrungen sind Ergebnisse die auf Basis der Forschungen des Psychologen Aaron Beck in den 1960ér Jahren beruhen. Beck entwickelte eine Theorie im Zusammenhang mit Depression, die besagt, dass die negative Wahrnehmung von Ereignissen und Erfahrungen eine Rolle bei der Entstehung von Depressionen spielt. Beck identifizierte eine Reihe von Denkfehlern, die er als kognitive Verzerrungen bezeichnete, die dazu beitragen können, dass Menschen negative Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen entwickeln.

Diese kognitiven Verzerrungen sind einerseits absolut menschlich. Jeden Tag muss der Mensch
 unzählige Informationen verarbeiten, sämtliche Sinne werden mit Details geradezu überflutet. Ist es kalt, wenn ja, wie kalt? Welcher Wochentag ist heute, was ist der nächste beste Schritt wenn ich so viel zu tun habe? Wie behalte ich im Kalender den Überblick und und und…

Um unser Gehirn möglichst effizient zu gebrauchen, bedeutet möglichst wenig Energie zu verbrauchen, entwickeln wir also in der Beurteilung bestimmte Situationen Routinen oder man könnte auch sagen, stecken wir bestimmte Informationen einfach in Schubladen. Jetzt kann man auch mit dem Begriff des Schubladendenkens besser einordnen und bekommt hier aber eine Bedeutung die nicht nur eine bewusste Entscheidung meint, sondern wir stecken vieles auch unbewusst in Schubladen. 

Neben den positiven Aspekten aus Sicht der biochemischen Funktionen, um Energie für das Gehirn zu sparen (was aus evolutionärer Sicht heute keinen großen Sinn mehr macht, weil wir genügend Nahrung haben?) geht es bei der Auseinandersetzung damit, insbesondere um die negativen Aspekte dieses Schubladendenkens! 

Bei der Auseinandersetzung mit den kognitiven Verzerrungen geht es also insbesondere um die unbewussten Verzerrungen, die uns bei unseren täglichen Entscheidungen negativ beeinflussen!

 

Kognitive Verzerrungen - welche gibt es?

Hier einmal eine von mir einige ausgewählte Verzerrungen die uns im täglichen Leben begegnen und die ich für besonders interessant halte:

Confirmation Bias

Confirmation Bias, auch Bestätigungsfehler genannt, bezeichnet die Tendenz von Menschen, Informationen und Evidenz selektiv zu suchen, zu interpretieren und zu erinnern, die ihre vorhandenen Überzeugungen und Annahmen bestätigen, während sie Informationen ignorieren oder ablehnen, die diesen widersprechen.

Die Confirmation Bias kann verschiedene Formen annehmen und in vielen verschiedenen Kontexten auftreten, wie z.B. bei politischen Meinungen, religiösen Überzeugungen, wissenschaftlichen Hypothesen, sozialen Stereotypen und persönlichen Vorurteilen. Sie kann dazu führen, dass Menschen in ihrem Denken und Handeln eingeschränkt werden und ihre Fähigkeit, neue Informationen und Perspektiven zu berücksichtigen, einschränken.

Ein Beispiel für den Confirmation Bias ist ein politisch engagierter Mensch, der sich auf Informationen konzentriert, die seine eigene politische Position stärken, während er Informationen ablehnt, die dieser widersprechen. Ein weiteres Beispiel ist ein Arzt, der eine voreingenommene Diagnose aufgrund seiner persönlichen Überzeugungen oder Erfahrungen stellt, anstatt objektive Tests und Evidenz zu berücksichtigen.

Hindsight Bias

Das Hindsight Bias wird auch als Rückschaufehler bezeichnet.

Die Hindsight Bias tritt in vielen verschiedenen Kontexten auf, wie zum Beispiel in der Wahrnehmung von historischen Ereignissen, in der Bewertung von politischen Entscheidungen oder in der Beurteilung von Investmententscheidungen. Die Hindsight Bias kann dazu führen, dass Menschen dazu neigen, ihre Entscheidungen und Verhalten zu überschätzen und sich selbst zu positiv bewerten.

Ein Beispiel für die Hindsight Bias ist ein Investor, der nach einem erfolgreichen Investment sagt: „Ich wusste schon immer, dass dieses Unternehmen erfolgreich sein würde“, obwohl er vielleicht zuvor Zweifel hatte oder nicht alle Informationen hatte, um eine kluge Entscheidung zu treffen.

Verlust Aversion

Verlust Aversion bedeutet, dass Menschen, den Schmerz, den Sie empfinden, wenn sie etwas verlieren, wiegt schwerer als die Freude, die sie empfinden, wenn sie etwas gewinnen. Dies kann dazu führen, dass Menschen risikoscheu werden und riskante Entscheidungen vermeiden, um Verluste zu minimieren.

Die Verlustaversion kann in vielen verschiedenen Kontexten auftreten, wie zum Beispiel in der Entscheidungsfindung, beim Investieren, in zwischenmenschlichen Beziehungen und in vielen anderen Situationen. Sie kann auch Auswirkungen auf die wissenschaftliche Forschung haben, wenn Forscher sich auf das Vermeiden von Verlusten konzentrieren, anstatt Chancen zu nutzen, die sich aus Risiken ergeben können.

So kann man feststellen oder sich fragen; warum kommt die Energiewende nur so langsam voran? Das kann an der Verlustaversion liegen, wir bewerten die Verluste stärker, als wir das mit den Gewinnen bzw. positiven Veränderungen tun.
Wir reagieren empfindlicher auf kurzfristige Kosten als auf langfristigen Nutzen,z.B. beim langfristigen Ausbauen erneuerbarer Energien vs. kurzfristig steigender Strompreise. (Also ein interessanter Zusammenhang mit einiger Aktualität)

Spotlight Effekt

 Der Bias Spotlight-Effekt (auch bekannt als Illusion der Überwachung) ist eine kognitive Verzerrung, die besagt, dass Menschen dazu neigen, anzunehmen, dass andere Menschen stärker auf ihr Verhalten achten und sich stärker dafür interessieren, als es in Wirklichkeit der Fall ist.

Dieser Bias basiert auf der Idee, dass Menschen dazu neigen, sich selbst als „Spotlight“ wahrzunehmen, auf den die Aufmerksamkeit anderer gerichtet ist. Dies kann dazu führen, dass sie glauben, dass ihre Handlungen, ihre Kleidung, ihr Aussehen oder ihre Leistungen stärker wahrgenommen werden, als es tatsächlich der Fall ist.

Ein Beispiel für den Bias Spotlight-Effekt ist, wenn jemand denkt, dass alle anderen in einem Raum auf ihn achten und ihn beurteilen, obwohl die meisten Menschen in Wirklichkeit mit ihren eigenen Angelegenheiten beschäftigt sind und ihm kaum Beachtung schenken.

Der Bias Spotlight-Effekt kann dazu führen, dass Menschen ihr Verhalten oder ihre Entscheidungen auf der Grundlage einer falschen Wahrnehmung anderer Menschen ausrichten. Dies kann auch zu einem Mangel an Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl führen, wenn Menschen glauben, dass ihre Handlungen ständig beobachtet und kritisiert werden.

Eine Liste der entsprechenden Bias auch in deutscher Sprache findet Ihr übrigens einmal auf unserem DIN A0 Poster Cognitive Bias in unserem Shop:

Die Bedeutung in meiner Arbeit als Agile Coach

Ich beginne gerade erst das Thema für mich in meiner Arbeit einzuordnen und habe einmal reflektiert, welchen Einfluss die Verzerrungen auf meine Arbeit als Agile Coach haben könnten und was es in agilen Arbeitsumgebungen für Auswirkungen haben kann.

Hier geht es mir zunächst einmal die Herausforderungen, die sich aus den Verzerrungen ergeben oder besser, welche Verhaltensmuster evtl. unter Einbezug der Verzerrungen noch einmal anders betrachtet werden können. Man kann die genannten Punkte auch als Praxisbeispiele nutzen, in meinem Fall im Rahmen meiner Arbeit als Agile Coach.

Beispiel für kognItive Verzerrungen im Alltag eines Agile Coach:

  • Bestätigungsfehler (Confirmation Bias): Dies ist die Tendenz, Informationen zu suchen oder zu interpretieren, die unsere bestehenden Annahmen oder Überzeugungen bestätigen. In einer agilen Umgebung ist es wichtig, dass Teams offen für alternative Standpunkte und neue Ideen sind. Als Coach kann, sollte ich darauf achten, dass alle Meinungen gehört werden und Teams ermutigen, verschiedene Sichtweisen transparent machen um Sie zu berücksichtigen.
 
  • Status-Quo-Bias: Dies ist die Tendenz, an bestehenden Prozessen oder Methoden festzuhalten, auch wenn es bessere Alternativen gibt. In einer agilen Umgebung ist es wichtig, dass Teams offen für Veränderungen und neue Ideen sind, um Innovationen zu fördern. Ein Coach kann Teams dazu ermutigen, alternative Ansätze zu diskutieren und neue Ideen auszuprobieren.<
 
  • Negativitätsverzerrung: Dies ist die Tendenz, sich auf negative Aspekte zu konzentrieren und positive Aspekte zu übersehen. In agilen Teams, die ich begleite, achte ich darauf, dass Teams Fortschritte früh sichtbar machen und Transparenz über den Fortschritt erzeugen und das positive hervorzuheben. So können Erfolge früh sichtbar werden und hat zur Folge, dass Teammitglieder feststellen, dass Sie wirksam werden und so bereit sind mehr Verantwortung zu übernehmen.
 
  • Halo-Effekt: Dies ist die Tendenz, eine Person oder eine Idee aufgrund einer einzigen positiven Eigenschaft oder Leistung insgesamt positiv zu bewerten. Im Rahmen agiler Arbeit ist es wichtig, dass Teams objektiv und fair zu bewerten, um die besten Talente zu identifizieren und zu fördern. Als Agile Coach kann man darauf achten das unterschiedliche (variabilität) Kriterien genutzt werden, um Leistung zu beurteilen! (Kriterien wie: Befragung der Kollegen, Zuverlässigkeit, Qualität der Ergebnisse, effektive Kommunikation etc.)
  • Gruppenkonformitätsdruck: Dies ist die Tendenz, den Standpunkt oder die Meinung der Gruppe zu übernehmen, um Konflikte zu vermeiden oder sich anzupassen. Als Agile Coach geht es auch darum Konflikte zu nutzen um gezielt zu neuen Standpunkten zu kommen Außerdem ist eine entsprechende Fehlerkultur und Feedbackkultur gefragt die man sehr gut in Form von guten Retrospektiven entwickeln kann. In der Moderation kann darüber hinaus unter Verwendung von Moderationsmethoden wie der Liberating Structures gezeilt darauf geachtet werden, dass möglichst viele beteiligt werden.

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