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#destruktive muster: Selbstorganisation? Die Übernahme von Eigenverantwortung fehlt

Vorwort

Im zweiten Teil unserer Serie „Destruktive Muster“ begegnen mir als Agile Coach häufig destruktive Muster bei meiner Arbeit, die Unternehmen oder Teams daran hindern, Ihre gesteckten Ziele zu erreichen oder den agilen Wandel erfolgreich zu gestalten. Ein oft beschriebenes und besprochenes Thema ist der Wunsch nach „mehr Eigenverantwortung und Selbstorganisation“. Eines der häufigsten Problembeschreibungen in diesem Zusammenhang ist der Eindruck Mitarbeiter wollen oder können keine  Eigenverantwortung übernehmen. Gerade im deutschen Mittelstand, der oft stark unter Kostendruck steht, kann dieses Problem die agile Transformation erheblich behindern. 

Einleitung

„Unsere Leute übernehmen einfach keine Eigenverantwortung. Sie warten immer darauf, dass man ihnen sagt, was zu tun ist.“

Kennst du diesen Satz? Gerade in Unternehmen, die sich als Ziel setzen „agiler“ agieren möchten, höre ich das immer wieder. Oft entsteht dieses Problem, weil den Mitarbeitenden nicht klar ist, was Selbstorganisation wirklich bedeutet und was von ihnen erwartet wird. Hinzu kommen Ängste und Unsicherheiten, die verhindern, dass Eigenverantwortung als Chance wahrgenommen wird.

Dieses destruktive Muster greife ich heute auf, um zu zeigen, wie man durch eine fundierte Ursachenanalyse und gezielte Ansätze den Weg zu einer selbstorganisierten Arbeitsweise ebnen kann.

Ursachenanalyse mit dem 2Cycles-Model von Agilissence

Das 2Cycles-Modell  von Agilissence, (©Fabian Müller)  bietet eine fundierte Grundlage, um die Ursachen eines Problems systemisch zu verstehen. Im Falle von „mangelnder Übernahme von Verantwortung auf dem Weg zur Selbstorganisation“ lassen sich besonders folgende Dimensionen herausarbeiten:

Motivation: Fehlt den Mitarbeitenden die intrinsische Motivation, Verantwortung zu übernehmen, oder sehen sie keinen persönlichen oder beruflichen Nutzen darin? WARUM sollten Sie das tun? Welche Motive sind beim Einzelnen davon betroffen?

Weltsicht: Haben die Mitarbeitenden negative Annahmen über Selbstorganisation, z.B. dass sie dadurch noch mehr Arbeit  übernehmen müssen? In Haftung genommen werden, für Dinge die Sie nicht beeinflussen können?

Handlung: Wissen die Mitarbeitenden, was von ihnen erwartet wird? Haben sie die Werkzeuge und das Wissen, um selbstorganisiert zu arbeiten? Was wird sich im täglichen konkret verändern? Welche neuen

Struktur: Ist das organisatorische Umfeld so gestaltet, dass es Selbstorganisation unterstützt, oder gibt es starre Hierarchien und Prozesse, die den Fortschritt behindern?

Umfeld: Struktur und Umfeld bedingen einander. Die wichtige Frage lautet daher, welche Zwänge von Aussen bestehen die eine Selbstorganisation nötig machen, bzw.  Welche externen Faktoren haben negative Auswirkungen auf die aktuelle Performance des Teams? Wie interagieren Teams mit externen Stakeholdern, und wie gut gelingt es dem Unternehmen, deren Bedürfnisse und Erwartungen zu antizipieren?

 

Motivation: Warum Selbstorganisation?

Die Einführung von Selbstorganisation sollte durch eine klare und überzeugende Motivation unterstützt werden. Oft sind die Mitarbeitenden nicht bereit, Verantwortung zu übernehmen, weil sie nicht verstehen, warum es für sie, die Abteilung oder das Unternehmen von Vorteil ist. Hier habe ich mit dem Einsatz  der 16 intrinsischen Motviatoren angelehnt an S.Reiss und  Management 3.0 gearbeitet, die individuellen Antriebe der Mitarbeitenden zu analysieren und darauf aufzubauen. In einem deutschen Mittelstandsunternehmen, das ich betreut habe, stellte sich heraus, dass der „Einfluss“ und die „Kompetenz“ der Mitarbeitenden durch Selbstorganisation gestärkt werden konnten. Diese Erkenntnis schuf eine Basis für das Verständnis, warum Selbstorganisation nicht zwingend Mehrarbeit bedeutet, sondern beispielsweise mehr Kontrolle und Entscheidungsmacht gibt, was wiederum zur Zeitersparnis und passfähigeren Entscheidungen führt.

Gleichzeitig war wichtig, daß das Team verstanden hat, daß es nicht OHNE Führung auskommen soll, sondern ausdrücklich mit der Führungskraft Entsheidungs- und Spielräume für Entscheidungen auswählen und schrittweise erweitern oder verändern kann.

Lösung: In einem Workshop nutzte ich Moving Motivators, um die individuellen Motive der Mitarbeitenden sichtbar zu machen. Dadurch konnten wir eine Brücke zwischen den persönlichen Zielen und der Selbstorganisation schlagen.

Weltsicht: Die Angst vor „noch mehr Arbeit“

Viele Mitarbeitende haben tief verwurzelte Annahmen und Glaubenssätze, häufig ja sogar Ängste, die aber selten „besprochen“ werden. In diesem Fall erlebe ich häufig die Annahme, dass Selbstorganisation gleichbedeutend mit Mehrarbeit einhergehen müsse – sicherlich nur eine Annahme von Vielen, aber dafür ist diese ziemlich prominent. 

Sind die Meetings doch schon heute zahlreich und der Schreibtisch voll. So wurde das Gefühl gespiegelt, dass ja zusätzlich zu ihren regulären Aufgaben nun auch noch die Verantwortung für Entscheidungsprozesse übernommen werden muss. Darüber hinaus ist man sich gar nicht sicher was da an Mehrarbeit wartet und ob man den Erwartungen gewachsen ist.

Diese Glaubenssätze und grundsätzlichen Vorurteile kann man begegnen. Zunächst gilt es einmal die Erwartungen und durchaus auch die Vorteile der Selbstorganisation klar zu kommunizieren – hier gilt es immer den Kontext zu beachten – Selbstorganisation in einem Großkonzern hat andere Rahmenbedingungen als in einem kleinen innovativen FinTech-Unternehmen in Berlin. 

In einem Fall zeigte ich auf, wie Teams, die eigenverantwortlich arbeiten, effizienter agieren und letztendlich mehr Freiraum für kreative und wertschöpfende Tätigkeiten erhalten. Ich habe dabei das SCARF-Modell eingesetzt, welches die individuellen Ängste der Mitarbeitenden adressiert, und wir insbesondere bei den Dimensionen „Autonomie“ und „Status“ reflektierten und auswerteten (Rollenklarheit und Entscheidungsspielräume) und und so das Gefühl der Überforderung mildern konnten.

Lösung: Die gezielte Arbeit mit dem SCARF-Modell half, die psychologische Sicherheit der Mitarbeitenden zu erhöhen und ihre Grundannahmen zu „relativieren“ bzw.  Ängste zu reduzieren.

Aktuell Angebote und Trainings

Handlung: Klare Erwartungen und Metriken

Ein weiteres häufiges Problem ist, dass die Mitarbeitenden nicht genau wissen, was von ihnen in einem selbstorganisierten Umfeld erwartet wird. Sie sind unsicher, welche Entscheidungen sie selbst treffen dürfen und welche sie mit ihren Vorgesetzten abklären müssen. Hier können klar definierte Metriken (Kennzahlen) zur Teamentwicklung helfen, die Erwartungen transparent zu machen und den Fortschritt messbar zu gestalten. In einem Team im Rahmen einer agilen Transformation führte ich regelmäßige Team-Health-Checks (Werte und Prinzipien, Fähigkeiten und Führung selbstorganisierter Teams) ein, um den Reifegrad der Selbstorganisation zu messen und darauf basierend gezielte Verbesserungen messbar zu machen. Diese Metriken gaben den Mitarbeitenden die nötige Sicherheit, die Klarheit über das Entwicklungsfeld um eigenständig zu agieren und daraus auch motiviert den eigenen Spielraum schrittweise intrinsisch erweitern zu wollen.

Lösung: Einführung von klaren Metriken, wie Team-Health-Checks, die regelmäßig den Reifegrad und Fortschritt der Selbstorganisation messen und zur Anpassung genutzt wurden.

Struktur: Unterstützung durch Rituale und Führung

Möglicherweise sind die Rahmenbedingungen der Selbstorganisation nicht ausreichend geschaffen. Die formale Struktur könnte noch zu hierarchisch sein, was den Raum für Eigenverantwortung einschränkt. Oft fehlt den Teams die nötige Unterstützung durch das Management oder Autonomie, um Verantwortung wirklich übernehmen zu können bzw. diesen Spielraum legitimiert zu bekommen.

Oft fehlt es jedoch an den nötigen Strukturen und Ritualen, die den Teams dabei helfen, Verantwortung zu übernehmen. In einem Fall führte ich tägliche Standups und zweiwöchentliche Retrospektiven ein, die den Mitarbeitenden eine Struktur gaben und ihnen halfen, sich auf die wichtigsten Aufgaben zu fokussieren. Gleichzeitig sorgte ich dafür, dass die Führungskräfte ihre Rolle  als Unterstützer und nicht als Mikromanager verstanden, um die Autonomie der Teams aktiv förderten. Ein nicht unerheblicher Teil habe ich an Zeit für das  Coaching der Führungskraft aufgewendet die für sich aus der Analyse ableitete das auch Sie Ihre Rolle neu interpretieren müsse, wenn das Team nun anders agieren sollte.

Lösung: Einführung von agilen Ritualen, wie Standups und Retrospektiven, sowie gezieltes Coaching der Führungskräfte, um die Selbstorganisation zu fördern und eine unterstützende Struktur zu schaffen.

Umfeld: Wie Stakeholder einbinden?

Die Einführung von Selbstorganisation erfordert nicht nur interne Anpassungen, sondern auch eine Neuausrichtung der Interaktion mit externen Stakeholdern. Oftmals sind Teams unsicher, wie sie eigenverantwortlich mit Kunden, Lieferanten oder Partnern kommunizieren sollen, insbesondere wenn bisherige Strukturen dies durch hierarchische Kommunikationswege reglementierten. Die fehlende Erfahrung in der direkten Zusammenarbeit mit externen Stakeholdern kann dazu führen, dass die Bedürfnisse und Erwartungen dieser nicht ausreichend antizipiert und berücksichtigt werden.

Der Weg den ich eingeschlagen habe hier einmal skizziert zusammengefasst. Das Unternehmen, dessen Good Practice ich hier heranziehe,  habe ich geraten den Teams daher das nötige Vertrauen (Durch Delegation und Entscheidungsspielräume) auszusprechen und die Werkzeuge an die Hand zu geben (Team-Workshops, Team-Radar oder Health-Check, Entscheidungsmethoden und Reviews), um effektiv mit externen Stakeholdern zu interagieren. Dies beinhaltet klare Richtlinien für die Kommunikation, aber auch die Freiheit, Entscheidungen im Sinne des Kunden treffen zu dürfen. Wenn Teams verstehen, wie wichtig ihre Rolle in der Stakeholder-Interaktion ist, steigt nicht nur ihre Eigenverantwortung, sondern auch die Fähigkeit der Organisation Unternehmens, agiler zu agieren.

Lösung: Durch gezielte Workshops und Trainings kann den Teams vermittelt werden, wie sie erfolgreich mit externen Stakeholdern interagieren. Methoden wie Stakeholder-Mapping oder regelmäßige Feedback-Schleifen mit Kunden helfen dabei, Bedürfnisse frühzeitig zu erkennen und passende Lösungen zu entwickeln. Außerdem sollten Rituale etabliert werden, die den Austausch mit Stakeholdern fördern, beispielsweise regelmäßige Reviews oder gemeinsame Planungssitzungen. Indem das Unternehmen seinen Teams die Verantwortung für diese Beziehungen überträgt und sie dabei unterstützt, wird die Antizipation von Bedürfnissen zur gemeinsamen Aufgabe und fördert die Selbstorganisation.

Schlussfolgerung

Selbstorganisation erfordert klare Motivationen, unterstützende Strukturen und ein hohes Maß an psychologischer Sicherheit. Führungskräfte und Stakeholder müssen die Rolle als Unterstützer einnehmen, während agile Rituale und klare Metriken helfen, den Mitarbeitenden die nötige Orientierung und Sicherheit zu geben. Nur so kann der Weg zu einer erfolgreichen Selbstorganisation geebnet werden.

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