Agiles Prinzip – Lernen verstärken (Teil 1)
Warum „Lernen“ und „Arbeiten“ zusammengehört
Ganz aktuell befinden sich Unternehmen in einem tief greifenden Wandel. Das Ziel ist eine dynamikrobuste Organisation. Diese reagiert nicht nur auf Veränderungen, sondern antizipiert diese frühzeitig. Sie stößt Veränderungen zum Nutzen des Kunden an und generiert daraus ökonomischen Nutzen. Veränderung wird somit als fortlaufender Prozess verstanden, der mit der Herausforderung einher geht, die Erkenntnisse aus den Veränderungsprozessen schrittweise in die tägliche Praxis zu überführen. Und genau dies sind wesentliche Merkmale einer agilen Organisation bzw. eines agileren Organisationsverständnisses.
Aktuell greifen immer mehr Unternehmen auf die Erkenntnisse der agilen Rahmenkonzepte zurück und erkennen zunehmend an, dass die dort beschriebenen Prinzipien eine hohe Wirksamkeit haben. Das gilt für das Mindset als auch die dazu passenden Methoden, welche in einem zunehmend dynamischen Umfeld immer stärker zur Anwendung kommen. Die erforderlichen Rahmenbedingungen, welche für agilere Vorgehensmodelle und damit für ein agileres Arbeiten erforderlich sind, werden zunehmend deutlich: ohne ein passende Mindsets und ohne ein grundlegendes und tiefgehendes Verständnis der Prinzipien, machen die Methoden alleine wenig Sinn. Auf den Punkt gebracht: Mindset geht vor Tools und Methoden.
Inzwischen gibt es viele Beispiele von Vorgehensmodellen die Ihren Weg hin zur agilen Organisation beschreiben. Zunächst als eher unverständliche „Buzzwords“ wahrgenommen, sind es heute wichtige und neue Perspektiven auf die Art und Weise der Arbeit. Scrum hat als Management- Rahmenwerk einen Fokus auf kundengetriebene Produktentwicklung. Management 3.0 möchte ich hier als Führen auf Augenhöhe bezeichnen. Laterale Führung gewinnt nicht nur in Projekten an Bedeutung. Die visionäre und motivationale Kraft von Leadership wird zusehends wichtiger. Management hingegen ist die Basis und bleibt daher wichtig und wird inzwischen immer stärker an selbstorganisierte Teams delegiert.
Einen Aspekt möchte ich besonders hervorheben: Lernen und Arbeiten wachsen zunehmend zusammen und werden fester Bestandteil jener Veränderungsprozesse, die auf dem Weg hin zu einer dynamikrobusten und agilen Organisation nicht nur notwendig, sondern sogar unabdingbar sind. Wie man in der Literatur (z.B. „Komplexithoden“ von Niels Pfläging) nachlesen kann, gewinnt in einer komplexen Umgebung das Können zunehmend an Bedeutung gegenüber dem Wissen. Das ist genau das, was Bildungsexperten bereits seit Jahren in unterschiedlichster Form deutlich gemacht haben.
Prof. Werner Saurer und John Erpenbeck haben beispielsweise in Ihrem Buch „So werden wir Lernen“ aus einer eher allgemeinen Bildungsperspektive kommend, auch im Kontext des „Corporate Learning“ klar beschrieben, wie sich Lernen als fester Bestandteil in die Arbeitsprozesse integrieren lässt. Zudem haben Sie aufgezeigt, wie Lernumgebungen aussehen werden und wie sich dies organisieren und gestalten lässt. Das bedeutet, diese Erkenntnisse liegen nicht erst seit dem Aufkommen des Themas „Agile“ vor.
Was ist dann der Grund, warum in vielen Unternehmen zu wenig in Training, Ausbildung und Kompetenzentwicklung am Arbeitsplatz investiert wird und wurde? War etwa nicht allen ausreichend klar, das in einem dynamischen Umfeld, das ja nicht erst seit gestern existiert, kompetente Mitarbeitende mit sozialen Fähigkeiten, entsprechende teamorientierte Arbeitsplatzbedingungen und eine lernförderliche Umgebung zum Erfolg des Unternehmens beitragen?
Ich frage mich: was hat dazu beigetragen das „Lernen“ im Sinne der kontinuierlichen Entwicklung des Einzelnen und der Organisation offenbar bislang „relativ“ wenig Aufmerksamkeit geschenkt wurde? Anders herum gefragt: Warum hat man hier so viel Potential liegen gelassen?
Meine These: „Lernen” als Kennzahl wird und wurde häufig unterbewertet, weil man den direkten Einfluss auf den Unternehmenserfolg nur bedingt „betriebswirtschaftlich“ erfassen konnte. Bildungscontrolling hat hier wenig bzw. nur bedingt etwas verändert, da es oftmals nicht gelungen ist, zu den entscheidenden Kenngrößen vorzudringen. Hinzu kommt, dass Lernen und Arbeiten quasi als Konkurrenten um die knappen Ressourcen im Unternehmen gesehen wurde. Wer im Seminar sitzt, arbeitet nicht. Und wer arbeitet, hat keine Zeit ins Seminar zu gehen, usw.
Und auf der anderen Seite, gab es aus systemischer Sicht kein „System“ – kein „Prozess“ – kein „Vorgehens-Modell, welches Arbeiten und Lernen so miteinander verzahnt, dass diese „künstliche“ Trennung nicht nur aufhebt, sondern Lernen sogar zum Prinzip erhebt und damit unverzichtbar macht.
„Agile“ tut genau das.
Lernen als Erfolgsfaktor für erfolgreiche Unternehmen – endlich auch in der Praxis!?
Schauen wir uns doch einmal näher an, was die agilen Prinzipien sind, die klar und eindeutig auf das Thema „Lernen“ einzahlen:
- Lernen verstärken
- Überprüfen und Anpassen
- Reflektieren
- Kontinuierliche Verbesserung
- Schnelles Scheitern
- Flow
Scrum als agiles Management-Rahmenwerk nutzt genau diese Prinzipien. Was genau macht nun dieses Vorgehensmodells als Lernverstärker so wertvoll? Was ist das besondere?
- Empirisch, im Sinne von eines datengestützten Vorgehensmodells inkl. Analyse und Verbesserungen;
- Retrospektive, im Sinne von regelmäßigen Meetings zur Reflexion und Optimierung von Team- und Entwicklungsprozessen;
- Daily Meeting, im Sinne einer sehr intensiven wechselseitigen Abstimmung und eines täglichen Upate zum Arbeitsstand aller Teammitglieder;
- Selbstorganisierte Teams, im Sinne einer Bevollmächtigung von Teams und Verlagerung von relevanten Managementaufgaben auf die Teamebene;
- Scrum Master, der die konkrete Aufgabe hat, dafür zu sorgen, dass die vorgesehenen Meetings und Rituale eingehalten werden und die für die Optimierung erforderlichen Artefakte wie zum Beispiel das Burndown-Chart erstellt und gepflegt werden. Der Scrum Master als Agile Coach und Lernbegleiter.
Im zweiten Teil werden wir uns die agilen Prinzipien und Methoden näher anschauen auch unter dem Aspekt welche Chancen und Möglichkeiten aber auch Risiken für die Personalentwicklung und HR sich hier ergeben!