Dieser Artikel richtet sich an alle, die im näheren wie weitesten Sinne mit Personal- und Organisationsentwicklung beschäftigt sind und das Thema “Lernen und Veränderung” als Teil Ihres beruflichen Profils verstehen.
Ausblick
Seit Jahren beschäftige ich mit dem Thema “Lernen” im engeren wie im weiteren Sinne als Agile Coach und Trainer in der Anwendung und Gestaltung von lernförderlichen Rahmenbedingungen und in der Vergangenheit als Abteilungsleiter eines kleinen aber feinen „Lernlösungsanbieter“ bei der Entwicklung von digitalen Lernkonzepten für die Personalentwicklung großer Unternehmen.
In diesem Artikel will ich noch einmal aufgreifen und auch den Versuch unternehmen, wie Begriff “Agil oder Agilität” neuen Wind in die Debatte um das Lernen gebracht hat, besondes in der Praxis.
Im Folgenden geht es also um eine kritische Einordnung und die damit verbundene Frage: “Kann Lernen und Agilität synonym verwendet werden und bedeutet es das Gleiche?“
Toller Impuls zum Thema “agiles Lernen”
Auslöser, diesen Artikel zu schreiben, war ein Kollege und Experte Jan Fischbach, der sich in der agilen Community bereits einen Namen gemacht hat, ein echter SCRUM Experte und Agile Mastermind.
Vor längerer Zeit schrieb ich einen Artikel zu Scrum2Learn, einer Namensschöpfung von mir, bei der ich Scrum in den Kontext von Aus- und Weiterbildung gesetzt habe. Genauer habe ich beschrieben, wie Scrum als Lern Framework für Trainingsmaßnahmen aus Sicht einer PE-Abteilung fungieren könnte.
Ich hatte das Thema anlässlich eines Beitrags von Anders Lehr auf LinkedIn noch einmal ins Spiel gebracht. Jan hatte mein Beitrag gelesen und wir kamen in den Austausch!
Als Agile Coach bin ich in der Begleitung agiler Transformationen eingebunden und spüre in der Praxis wie viel Potential in diesem Thema steckt.
Der Impuls von Jan führte letztlich also zur Frage: ”Warum Agilität doch eigentlich Lernen bedeutet – oder eben doch nicht?“
Was bedeutet Lernen…
Lernen ist der Prozess, durch den man neue Informationen, Fähigkeiten oder Verhaltensweisen erwirbt oder bestehende verändert. Es beinhaltet die Aufnahme, die Verarbeitung und die Verknüpfung von Informationen, die zu einer Veränderung des Verhaltens, des Wissens oder der Fähigkeiten führen. Lernen kann durch direkte Erfahrung, Beobachtung, Unterricht oder Selbststudium erfolgen. Es kann sowohl bewusst als auch unbewusst stattfinden. Es ist ein kontinuierlicher Prozess, der sich im Laufe des Lebens fortsetzt und der es ermöglicht, sich an die sich ändernden Umstände anzupassen und neue Herausforderungen zu bewältigen.
Lernen trifft auf Veränderung
Der Unterschied zwischen Lernen und Veränderung ist, dass Lernen ein individueller Prozess des Erwerbs von Wissen und Fähigkeiten ist, während Veränderung eine Änderung der Umwelt bedeutet, auf Organisationen gedacht, also Strukturen, Prozesse, Führung und der Kultur also ganzheitlich und Veränderung im Ergebnis ein verändertes Verhalten mit sich bringen soll. Beide Prozesse sind jedoch häufig miteinander verbunden, da Lernen oft Veränderungen hervorruft und Veränderungen oft Lernprozesse auslösen, mit dem Ziel auf individueller oder organisational besser zu werden.
Und Agilität?
Nun Agilität ist die Fähigkeit der Organisation Neues schnell zu lernen um sich einer veränderten Umwelt (Aussen) anpassen zu können, im Optimalfall schon die Veränderung zu antizipieren.
Lernen hier also notwendig um Produkte und Lösungen auch zeitnah zu realisieren und mindestens genauso wichtig die Perspektive, passt die Lösung/Produkt auf das Problem?
Agilität ist also eher eine Disziplin von Veränderung, eine Fähigkeit der Organisation auf notwendige Veränderungen am Markt zeitnah reagieren zu können und in einem komplexen Umfeld, das wenig planbar ist, reaktionsfähig und aktiv zu bleiben anstatt nur reaktiv.
In der Konsequenz müssen wir in Bezug auf die individuellen Fähigkeiten, den Mitarbeiter in die Lage versetzen, situativ und kreativ Lösungen zu entwickeln, auf die es bisher keine Antworten im Sinne von “Schema F” gab oder gibt.
Arbeiten und Lernen wächst zusammen
Aus Sicht einer Organisation gilt es, die künstliche Trennung von Arbeiten und Lernen aufzuheben. Ein Satz, den ich so bereits vor 10 Jahren formuliert habe und an dieser Stelle wiederholt werden muss.
Warum ist das jedoch für Unternehmen ein entscheidender Vorteil? Vergessen wir kurz einmal HR-Management, sondern konzentrieren uns auf Personalentwicklung und Organisationsentwicklung. Die Organisation hat Erfolg, wenn Menschen in der Organisation Probleme Ihrer Kunden lösen, das kann Form von Produkten, Dienstleistungen oder sonst wie geleistet werden. Wenn wir jetzt unterstellen, dass immer häufiger Anforderungen an Unternehmen gestellt werden, die sich außerhalb der “Wertschöpfung der Norm” befinden (also kein Standard sind) dann haben wir immer mehr die Notwendigkeit, neuartige und kreative Lösungswege zu finden und dazu benötigen wir ein hohes Maß an Lernfähigkeit.
Innerhalb dieses Settings und der getroffenen Annahme ist es nun aber nahezu unmöglich zeitnah oder situativ auszubilden im Sinne von Training wie wir es noch häufig antreffen.
Lernen am Problem
Die Alternative lautet: Die Mitarbeiter lernen, während Sie die Lösung entwickeln, und bauen am Problem neue Skills und Fähigkeiten auf und kommen so empirisch schrittweise zu besseren Ergebnissen. Das ist Lernen im Projekt am Problem und eben notwendig, wenn wir die Lösung nicht kennen. Das ist “By the Way” auch eine interessante Perspektive für Projekte, die dieses notwendige Lernen in Projekten meist nicht einpreisen – also wenn das Lernen im Projekt und aus dem Projekt keinen „Wert“ hat.
Fazit: – TATA – Du ahnst es schon, es braucht situatives, problembasiertes Lernen bei dem Menschen während der Auseinandersetzung mit dem Problem Fähigkeiten entwickeln, lernen und kontinuierliche verbessern. Im Optimalfall entsteht durch das Lernen am Problem und während wir “Lernen” und empirisch vorgehen, entwickeln wir sozusagen häufig Prototypen, die uns viele Erkenntnisse liefern und auch Nutzen generieren. Genau – das ist agiles Vorgehen bsp. in Scrum wiederzufinden !
Es braucht eine neue Lernkultur
Bei der Umsetzung von recht klassischen Weiterbildungsmaßnahmen besteht das Problem darin, wie der Lernbedarf von Teilnehmern ermittelt wird. Hier gibt es eine Lücke zwischen Bedarfserhebung und dem Zeitpunkt des Bedarfs und dem Weiterbildungszeitpunkt.
Im nächsten Entwicklungsstufe von Qualifizierungsmaßnahmen kam das ortsunabhängige Lernen und das Blended Learning-Konzepte in den Blick, wobei erst durch Corona endlich Live-Online-Trainings und andere Formate auch qualitativ die Entwicklung genommen haben, die notwendig war, damit Präsenzlernen und Online-Lernen auf Augenhöhe wahrgenommen wurden.
Problem bleibt weiter die Didaktik, die bei der Umsetzung und Steuerung von Qualifizierungsmaßnahmen immer wieder hinten anstehen muss. PE-Abteilungen sind nicht darauf ausgelegt, Trainings an die Bedürfnisse einer bestimmten Zielgruppe anzupassen, sondern wenn ich an Akademien denke, wird die Zahl der durchgeschleusten Teilnehmer als Kennzahl überproportional positiv bewertet gegenüber der zugegebenermaßen viel schwieriger messbaren Kennzahl, ob die Lernziele erreicht worden sind und ob die Produkte und Qualität der Produkte gestiegen ist, ob daraus bessere Ergebnisse resultieren. Ich bin überzeugt, wir operieren im Aus- und Weiterbildungssektor mit den falschen Kennzahlen. Management-getrieben und das heißt paradoxerweise nicht Outcome (Qualitative Verbesserung), sondern häufig eben Output (Quantitative Kennzahlen)!
Entscheidender Unterschied ist also der Return on Training Invest, der sich an folgenden Punkten bemisst:
- Anwendbarkeit des Wissens in der Praxis,
- die Weiterbildung hat zum besseren Verständnis des eigenen Problems/ Herausforderung beigetragen oder
- Für das Problem, was im Arbeitskontext habe, erhalte ich bereits aus dem Training einen konkreten Lösungsansatz ODER NOCH BESSER
- >Im “Projektbasiertes Training” für einen Fachbereich wurde am konkreten Problem gearbeitet…
Doch halt, das ist doch meines Erachtens so gut wie gar kein Kriterium für Training in vielen Organisationen, oder irre ich mich?
Auch – ABER genau der Aspekt des anwendungs- und problembasierten Lernens auf Basis von Experimenten macht Agilität aus – und in dem hier beschriebenen Zusammenhang, es dann auch, was agiles Lernen ausmacht. In meiner Wahrnehmung spielt das im Rahmen von Personalentwicklung kaum eine Rolle.
Agil Lernen
Meine Mission habe ich auf meiner Webseite zu Learn-Agile wie folgt beschrieben „Agil Lernen, digital arbeiten und Neues entwickeln” und die Zweifachbedeutung von Agil Lernen habe ich bewusst gewählt, also zum einen WAS wir Lernen – hier geht es darum, “Agilität zu erlernen” und zum anderen WIE wir Lernen, und zwar zukünftig vermehrt Agil.
Noch einmal zurück zur Ausgangsthese: Agil heißt Lernen und demzufolge ist Lernen immer agil?
Das ist, wie ich vorher dargelegt habe, in der Praxis seltenst der Fall!
Das liegt zum einen an der geschilderten und gelebten Praxis und auch aus der Herkunft des Lernbegriffs sowie letztlich dem Kontext, indem die Begriffe verwendet werden. Hierzu diente ja auch die Herleitung beider Begriffe.
Was heißt aber nun Agil Lernen?
Wir arbeiten am Problem, mit denjenigen, die das Problem betrifft (Zielgruppe Teams), die möglichst selbstständig Ihren Lernprozess gestalten (methodisch werden Sie begleitet durch einen Lernbegleiter und/oder Lern-Facilitator und/oder jede Art von Agile Coach) und jedes Teilergebnis (Inkrement), das in kurzen Iterationen erarbeitet und in Experimenten erforscht wurde, ist quasi ein Lösungsansatz oder eine Teillösung für unser Problem. Teillösungen können auch sein, das Problem besser zu verstehen bzw. die damit verbundenen Herausforderungen.
Methoden werden innerhalb der Lerniteration nicht vorgeschrieben, aber ergeben sich evtl. aus dem Kontext, die sich aber im Fokus des Lern-Facilitator stehen, damit das Team sich ganz auf die Problemlösung fokussieren kann.
Wann ist dieses Vorgehen von besonderer Bedeutung
Gerade wenn wir komplexe und neuartige Herausforderungen zu meistern haben, ist die Form des agilen Lernens mit einem iterativen und inkrementellen Vorgehen die eindeutig beste Lösung. Dort wo wir Standards und einfache Inhalte der Wissensvermittlung betrachten wissen wir, dass es das klassische Trainingsetting nicht mehr “zwingend” benötigt, sondern wir nutzen aktuell ja schon Tools wie ChatGPT, die der real gewordenen Traum mancher E-Learning-Experten von vor 10 Jahren darstellt. Auch ich kann das empfehlen, da wir Wissen situativ an die Hand bekommen und es sofort verproben können.
Das Problem
Die Lernlandschaften der Unternehmen sind unterteilt in Training, Blended Learnings, Mikrolearnings uvm. Fachabteilungen und Teams, die aber situativ und schnell nach einer Problemlösung suchen, können entweder grundsätzlich auf Basis Ihrer (komplexen) Herausforderungen eine agile Arbeitsweise nutzen, Teams die aber nur gelegentlich komplexe Herausforderungen haben oder ein bestimmtes Problem lösen müssen, werden von der PE häufig nicht so beraten, dass Agilität eine Lösung darstellen kann. Es ist aber eine ganz hervorragende Lösung, um Kompetenzen im Team aufzubauen, vorhandenes Wissen zu nutzen mit einem hohen Transfer in die Praxis.
Empfehlung
Probieren Sie es einfach mal aus: Arbeiten Sie mit einem agilen Vorgehen direkt am Problem und sammeln mithilfe eines Lern-Begleiters im Prozess iterativ Lösungsansätze, die Sie gleich wieder verproben und so iterativ ein Stück besser werden und Ihr ursprüngliches Problem immer mehr zu guten Lösungen führt. Die Kraft liegt im bereits vorhandenen Wissen der Teilnehmer, von gezielten Experimenten, einem Lernbegleiter der diesen Prozess methodisch so begleitet das die Teilnehmer sich auf die Problemlösung konzentrieren können und die Erkenntnisgewinne.
Noch Fragen? Oder haben Sie mit Ihrem Team gerade eine konkrete Herausforderung und suchen nach einer Möglichkeit 2 Tage das agile Lernen zu nutzen um erste Lösungsansätze zu entwickeln? Dann nimm gerne Kontakt mit mir auf: